Besuch bei meiner Gazelle – Sankenbachwasserfälle im Schwarzwald

Okt 30, 2014

Ein Blog ist keine Litfaßsäule. Plakatiert wird hier nicht. Ab und zu ein
Rezept. Ein Reisebericht von der Ostsee. Mehr oder weniger literarische
Anekdoten aus dem Alltag einer Familie irgendwo in einem kleinen,
unbedeutenden Dorf im Kraichgau. Neu: Rezensionen. Neu: Grüße aus der
Teenieküche. Vorurteile, die mir entgegen schlagen. Der Name des Blogs
verleitet zu vorschnellem Urteil. Vorwürfe, Angriffe. Querelen in der
Bloggerlandschaft.
Ich lasse alles hinter mir und befreie mich. Ich entscheide selbst. Ich lasse
niemanden dreinreden. Ich trage das Selbstbewusstsein einer sechsfachen Mutter
und zeige es. Warum soll ich mich weiter verstecken? Warum schweigen? Wer hat
eigentlich ein Interesse daran, dass ich es aufgebe, die Wahrheit zu sagen?
Aufhöre zu schreiben über das, was mich bewegt? Ich soll konform gehen – soll
tun, was geboten ist. Ich soll schweigen. Ich weigere mich.
Danke dafür, Pfarrer Coors! Sie haben mich durch mein tiefstes Tal begleitet
und mir Stecken und Stab überbracht. Leute, die behaupten, mein Blog trage ja
eine religiöse Gesinnung zu Schau. Leute, die mir vorschreiben wollen, was ich
auf meinem Blog zu tun und zu lassen habe. Ich sage euch, Leute: Dies ist
meine Party. Dies ist mein Leben. Und ich bin erwachsen.

Mein Sohn. Den ich sehr liebe. Die Luft im Schwarzwald ist rein und der Atem
fliesst klar und kostbar. Ich halte seine schmale Hand und das Glück fliesst
durch mich hindurch. Ich halte meine Tränen zurück und rede viel. Wir
schwatzen unentwegt, halten immerzu die Hand. Was ist wirklich wichtig im
Leben? Was bleibt? Für mich nur diese kleine Hand – vertrauensvoll und voller
Hoffnung in meine gelegt. Ich beschütze dich. Du kannst mir vertrauen.

Wir untersuchen die Umgebung, interessieren uns für alles. Wir sind süchtig
nach Neuem. Wir lachen uns kaputt. Wir halten uns einfach fest und denken
nichts. Was ist wichtig? Kleine Hand, schmal und feingliedrig. Ganz zarte
Hand, so zerbrechlich.

Wir entdecken den Sankenbach. Kaltes klares Wasser, über Schnellen fliessend,
gurgelnd, gluckernd, mal tosend, mal fallend, mal flüsternd, mal plätschernd.
Fische! Da! Das Wasser so klar wie im Märchen. Unsere Schritte auf dem Boden.
Wir stehen auf dem Boden. Wir bleiben auf dem Boden. Bodenhaftung. Geerdet. Es
federt. Die Luft so rein. Ich atme aus. Ich atme ein. 

Die Stille des Sankenbachsees. Eine kurze Rast. Andere Wandersmänner und
Wandersfrauen ziehen lärmend vorüber. Er schaut aufs Wasser. Vielleicht ist’s
ein Karpfen, der dort Kreise zieht? Seine blaue Jacke leuchtet wie der sich
spiegelnde Himmel im See. Eiszeitsee. Ich bin bereits etwas erschöpft, aber
die Wasserfälle schaffen wir noch, nicht? Ja. Gut.

Es ist eine
alpine Klettertour. Schwierigkeitsstufe drei. Warnhinweisschilder vorne weg. Schaffen wir das?
Ja, Mami, natürlich. Komm! 
Wie eine Gemse springt er voraus. Ich komme nicht hinterher. Ich bin weder
geübte Wandersfrau, noch beherrsche ich das alpine Klettern auch nur in
Ansätzen. Ich sehe ihn in seiner blauen Jacke behend‘ hinauf laufen. Seine
Bewegungen grazil, elegant fast. Gazelle. Warte doch auf mich, rufe ich! Warte
doch bitte! Es ist zu gefährlich, wenn du alleine voran springst! 
Mami, es ist doch alles abgesichert. 
Überall tropft es, rinnen schmale Wasserfäden und glitzern silbrig im Schein
unserer Sonne. Märchenhafte Welt! Aufgeladen mit Bedeutung, das Fliessen,
Tröpfeln, Fallen, Strahlen. Das Tosen, das Gewaltige, das Unbeherrschte.

Ganz oben staut er den Fall des Wassers mit einem Hebel. David und Goliath.
Die Begeisterung. Freude. Forschung. Er lächelt ein wenig. Seine schmale Hand
stemmt den Bolzen. Mit einem Schwall schiesst das schäumende Wasser ins Tal,
fünfundzwanzig Meter in die Tiefe. Ich sehe den Stolz in seinen dunklen Augen.
Das ist alles, was ich will. Die dunklen Augen sollen strahlen.

Hinauf, hinauf, hinauf! Bis zum Stöckerkopf hinauf! Mir zittern die Beine vor
Anstrengung. Die Gazelle ist nun auch müde geworden. Oben in der
Glasmännlehütte angekommen kehren wir ein. Sitzen erschöpft. Wir haben es
geschafft. Den Gipfel erklommen. Du hast dir einen Orden verdient, Gazelle!
Die schmale Gazelle verschlingt eine Portion Pommes frites. Trinkt das Glas
Limonade in einem Rutsch aus. Ich sehe dich an, mein Sohn. Deine Augen
strahlen. 

13 Comments

  1. Eva

    wunderbar geschrieben!
    Viele deine Gedanken kommen mir aus der Zeit mit meinen Kindern sehr bekannt vor.
    Lange sind sie aus dem Haus, aber nun geht es mir mit der 2-jährigen Enkeltochter wieder ganz ähnlich.

    Reply
  2. Moni

    Recht hast du, yuschka! Danke für deinen Mut, deine Ehrlichkeit und deine Offenheit – das tut gut!
    Herzliche Grüße, Moni

    Reply
  3. Anonym

    Ich kann mich Moni nur anschließen – und wünschte mir auch mehr Mut…
    Liebe Grüße,
    Eva

    Reply
  4. joan

    Never give up liebe Yushka! Du hast die Kraft, die lebt IN dir 🙂 LG von Joan

    Reply
  5. Anonym

    Liebe Yushka,
    bleib dir treu. Lass dich nicht beirren. Und wem dein Blog nicht passt, der muss ihn ja nicht lesen. Ich tue es jedenfalls. Mit großer Freude und Dankbarkeit für die vielen Anregungen – seien es Kochrezepte oder Anschauungen. Freiwillig und mit Hochachtung und Respekt vor deinem Leben, deinen Aufgaben und Talenten.
    Alles Liebe Ingrid

    Reply
  6. ur-fleurogami@blogspot.com

    Hallo Yushka, die Wahrheit zuschreiben, scheint einigen nicht zu gefallen. Auf meinem Blog kenne ich dies auch ….. leider. Mach weiter so, wie du es bis jetzt getan hast, dein Blog ist genau so wie er ist richtig. Komme dich genau wegen deinen tollen Geschichten besuchen. :)))
    PS: Ab un an auch wegen deinen Rezepten ;))
    Liebe Grüsse euch allen
    Uwe

    Reply
  7. Isabel

    Yushka, du bist so eine wunderbare Erzählerin, dass man bei Deinen Schilderungen alles bildlich vor sich sieht. Und ich finde es ganz wunderbar, dass Du Deine Empfindungen so ehrlich nach außen kehren kannst. Und was soll daran schlecht sein, seine Kraft aus seinem Glauben zu ziehen? Mach weiter so! Ihr schafft das schon.

    Reply
  8. MermaidintheKitchen

    Lass sie reden, das tun sie eh!

    Reply
  9. Sunshine

    Liebe Yushka,
    lass Dich nicht unterkriegen!!! Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft! Neid ist vielleicht nicht die schönste, aber vielleicht die höchste Form der Anerkennung!!! Und Neider sticheln nun mal!!! Dir ganz liebe Grüße von Annett

    Reply
  10. Ursula

    ein wunderschöner Bericht. Dem eigenen Herzen folgen ist immer richtig.

    Reply
  11. Wolkenfees Küchenwerkstatt

    Also ich lese deinen Blog sehr gerne und ich lese kaum foodblogs. Bleib so wie du bist, wer dich nicht lesen mag soll wegbleiben. Und das mit den Bloggerquerelen kommt mir bekannt vor. Ich bin raus aus allen fb Gruppen und mir geht es so gut damit. Seitdem blogge ich wieder gerne. Ich drück dich mal. GGLG Anne

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  12. DerSilberneLöffel

    Da kann ich mich meinen Vorschreibern nur anschließen: Was wäre die Welt, gäbe es nicht die Vielfalt. Und die bedingt verschiedene Sichten auf die Dinge. Du hast Deine Sicht, schreibst darüber und viele Menschen erfreuen sich daran. Somit hast Du am Ende des Tages sicher oft schon mehr getan, als die, die Dir vorschreiben wollen, wie Leben zu gehen hat.
    LG, Holger

    Reply
  13. Tonkabohne

    Liebe Yushka,
    Wunderschön geschrieben 🙂
    Bleib Dir selbst treu, Du hast so viel erreicht, sei stolz darauf.
    Ich hoffe das Dein Sohn Weihnachten bei Euch sein kann.
    Jakob sieht sehr gut auf den Bildern aus.
    Herzliche Grüße,
    Sabine

    Reply

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